Mein lila Onkel - die erste

Das Gesicht meines Onkels war lila. Ich flunkere nicht, nicht diesmal.

Es war lila, fast zur Hälfte lila. Mein Onkel war gefleckt wie die Milka-Kuh. Wie es dazu kam, weiß ich nicht. Ich habe so viel vergessen. Vielleicht wusste ich es nie.

Hatte er uns länger nicht besucht, erschrak ich bei seinem Anblick.
War er eine Weile bei uns, dann fiel es mir gar nicht mehr auf. Er war sehr charmant. 

Er benutzte Salzwasser als Parfüm,  und er brachte die weite Welt mit, wenn er kam. Das eintönige Rauschen des Meers, den Schrei einer einsamen Möwe, das Schlagen der Segel am Mast, den ewigen Wind, der vom Hafen herüber weht. Und das Geheimnis des verfärbten Gesichts, das trug er mit sich wie einen verborgenen Schatz.

Keiner außer mir ahnte, dass er eigentlich ein Seeräuber war. Mich konnte er nicht täuschen. Mit mir sprach er die Sprache der Seeleute. Und wenn er lachte, sah ich den Goldzahn in seinem Mund blitzen. Er erzählte von seinen Abenteuern in fernen Ländern, von den Raubzügen. Wie er gekämpft hatte bis aufs Blut, wie er gewonnen hatte. Er verlor nie.
Er zeigte uns seine Pistole und das Einschussloch an seinem linken Schulterblatt. Ein kleiner Krater, von zarter Haut bedeckt, über die  mein Zeigefinger zaghaft tastend fuhr. Er brachte mir immer etwas mit von seinen Raubzügen. Mein Lieblingsbär stammte von ihm. Der Bär trug eine rote Weste. Er hieß Drake. Ich schnitt ihm das Fell, bis er eine Glatze hatte.

Mein Onkel war der große Bruder meiner Mutter. Im wirklichen Leben fuhr er Geldtransporte in einer Stadt, die Hamburg heißt. Meine Mutter freute sich immer, wenn er kam.

So war das.

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