Gewitter im Raum

dumpf brütend
unsichtbare Blitze zucken
lautlos
ein Splittern schwer Tragender
feines Reißen dünner
Trennwände oder Klirren
von Eis?  jedenfalls gebrochen
Risse haarfein überholt
von der Wirklichkeit die
Lichtstunden entfernt
brutal hereinbricht
über die sonst pausenlos Strahlende
mit den Himmelstürmen

und von dir
kein Laut!




Der Rausch

Draußen.   Schneegraupel fällt. Nachlässig ins Grau verwaschene Farben. Die Palette hält nicht, was sie gestern noch versprach. Einer wusch sie aus, versuchte sie zu löschen, um mit anderen Farben neu anzusetzen.

Drinnen.   Etwas Wildes ist entstanden, der Pinsel verhielt sich anders als geplant. Er malte sich frei, die Malerin konnte nur zusehen, wie er über die Leinwand tobte im Farbrausch. Darin innig zwei Liebende, sich eng umfangend, eingehüllt, versunken in dick gespachtelten Farbdecken, gewärmt vom roten Rausch. Ein wirbelnd seliger Taumel.

Kommt irgendwann das Morgen. Und Farben ändern sich, wir wissen noch nicht, wie.

Jeannette Frei, Ausschnitt aus der Farbpalette, Abteilung ROT,  2012

neues Blatt

könnte ja sein
dass die Zeilen
unverblümt
aussprechen was zwischen ihnen steht
die Wörter sich neu fügen
eine Spur nur
sich anders setzen

könnte ja sein
dass die Menschen
unverhüllt
zeigen was in ihnen brach liegt
sich in Teilen neu erfinden
eine Spur nur
sich anders leben

könnte ja sein
dass der Zauber des Anfangs
sich fortpflanzt
bis zum Ende

Das Herz

Sie schmeckt Rost in der Kehle. Ihr Herz fühlt sich verbraucht an, schwarze Schlieren ziehen sich über die Oberfläche. Sie sieht sie ganz genau, diese dunklen Schlieren, die die Oberfläche aufrauen, wie kleine Gräben, wie ausgetrocknete Flussbette, die es zu überqueren gilt, wenn man ans andere Ufer will. Das andere Ufer glänzt feucht, rotsandig. Es ist steil. Sie weiß nicht, wie sie es erklimmen kann. Springend vielleicht, wie die Gnus in Afrika, wenn sie in großen Herden durchs Land ziehen auf ihrer Wanderung und dabei Flussläufe queren. Aber, sie ist nicht Teil einer Herde, sondern allein.

Herzsprung. Das fällt ihr ein. Sie weiß nicht, was es bedeutet. Ob es überhaupt etwas bedeutet, dieses Wort, das ihr da einfach so einfällt. Herzklamm fällt ihr ein. Auch das ohne eigentliche Bedeutung und trotzdem schwer wiegend. Sie denkt um die beiden Wörter herum, hört dabei die Küchenuhr die Zeit verticken. Die tickt gleichmäßig wie ein gut funktionierendes Herz. Kein Rasen, kein Stocken, kein Beschleunigen. Immer derselbe regelmäßige Puls, der die Zeit in kleinen Einheiten misst, sich wie ein grob gewebter Teppich unters Bewusstsein legt. Ohne das Ticken der Uhr verginge die Zeit unmerklich. Sie wäre ein Fluss, dessen  kaum hörbares Murmeln das Bewusstsein nicht erreichte.

Sie greift sich links in die Brusthöhle und nimmt das Herz heraus. Legt es auf den flachen Handteller. Es ist schwerer als sie dachte. Es pulsiert, zuckt, dehnt sich aus, zieht sich wieder zusammen. Ein lebender Muskel, überzogen von schwarzen Schlieren. Vorsichtig fährt sie mit dem Zeigefinger der Rechten über die Oberfläche, fühlt das Glatte, Feuchte, tastet das Raue, Trockene. Streichelt es kurz. Legt dann das Herz wieder zurück an seinen Platz. Fühlt es in der Brust pochen, regelmäßig, wie die Küchenuhr. Horcht noch eine Weile in sich hinein und lässt es schließlich sein. Sie weiß, es schlägt und wird so bald nicht aufhören zu schlagen.
Du bist
der fehlende Handschuh
den ich erst vermisste
als ich ihn wiederfand

Ich betrachte uns
während wir schlafen
Auf unsere Stirn
steht keine Schuld geschrieben

Die Amseln
schlagen Alarm -
Frühling im Herbst
.

eine weiße Katze
lief mir über den Weg / heute morgen
brachte ich ihr mein Glück

.

verweht

verweht / heißt nicht
vergangen vorbei vergessen
doch
das Innigste fehlt / der Halt
die Wärme / das Strahlen das
sich ausbreitet / in konzentrischen Kreisen
dich und mich umschließend
abschirmend

.

Heimkommen  -
das braune Holzstühlchen
glänzt vor Freude

.


herbstlich

noch warm / fällt der Regen
auf die Blätter / rollen sich
zusammen / genüßlich
igeln sich ein / jedes in seinem
Braun / bevor der Wind
zur Treibjagd bläst


Rattenschwanz

Wirkungen
führen zu Nebenwirkungen
die wieder Wirkungen erzeugen
die Nebenwirkungen
nach sich ziehen

was also tun?

in Wirren
heiter

weiter wirken

unterwegs III

rosenrot ist mein Schirm
aufgespanntes Segel
am Strand des Bahnsteigs
schwanke ich im scharfen
Westwind
auf dem Sprung bereit
lausche auf den Pfiff des Zuges
… weiß nicht ...
ob er kommt
wann er kommt
ob er hält
einfach weiterfährt
ohne mich

mein rosenroter Schirm
hält die Wolken
oben

hörversion 

vertane Chance

hättest du keine Angst / dann
würden scharfe Hunde winseln
wenn du kommst / würden harte Männer
weich / bei deinem Anblick
bliebe kein Auge trocken

wärest du furchtlos / würden
Pitbulls dir aus der Hand fressen
wenn du kommst / würden Muskelprotze
dich in tätowierte Arme schließen
lächelte der Stahl in ihren Augen

weil du Angst hast / schlägst
du einen weiten Bogen
um scharfe Hunde und / harte Männer
verschonst du / mit deinem Anblick

sie werden nie wissen / was
ihnen entgeht


foto: http://justimagine-ddoc.com/


kleiner Monolog über die Liebe

Schnapsidee das.  Entpuppt sich oft als Schall und Rauch. Verpufft. Übrig bleibt rein gar nichts. - Puff! 
Sei leise. Du musst schon die Ohren spitzen, um es zu hören. Puff, puff!

Und, was hast du dir dabei gedacht? Nichts? Gar nichts, nur gefühlt, sagst du?
Bauchgefühl. Schnapsidee. Schall und Rauch. Fällt dir sonst noch was dazu ein?
Dein linkes Schulterblatt? Darunter hockt alles, sagst du? Ein Versteck? Unterm Schulterblatt? Ha!

Du bist wahrscheinlich die einzige, deren Gefühle sich unterm linken Schulterblatt verbergen. Sie gehören doch in diesen roten, pochenden Muskel. Ach – stimmt, der ist auch links. Unterm Schulterblatt irgendwo. Also doch das linke Schulterblatt. Komisch, das mit links.

Alles mit links. Auch die Liebe. Bis sie verpufft.
Oder einfach bleibt -  links, wo das Herz ist.

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