mikrokosmos

ich wünschte mir
der kosmos passte in eine schneekugel

ich könnte ihn auf den kopf stellen
und es so lange schneien lassen
bis er nicht mehr schwarz und bodenlos wäre
sondern weiß und volltrunken

ich höre ihn schon kichern

auf wolke 9

hat man alle hände voll zu tun
[lebt sich's drunter und drüber]
wie in einem taubenschlag
geben sich die turteltäubchen
die klinke in die hand
… hast du nicht gesehn! …
kaum hier schwupp fort

im 7.  himmel
hingegen
[ist er drunter oder drüber?]
ist es zum gähnen glatthäutig
streichelzart großäugig
zahm die schläfrigen rehe
hinter straffem maschendraht

foto: www.picturepilot.de

gewiss

sanft sind die lippen des fremden
streifend über gräserland
hungrig die hügel die
sich an den himmel schmiegen
und ihn liebkosen

gestern vorbei
sicher ist heute
morgen sei

www.picturepilot.de

schwebeteilchen

dem liebsten der geht
blickt man lang hinterher
eh man sich versieht
ist sein umriss verweht

den gefühlen die ziehen
denkt man ewig nach
bis ans ende vom tag
kann man kaum entfliehen

den herzen die fallen
schickt man flügelworte
die sie sinkend schon
in der schwebe halten

schwebeteilchen I, 2012

abtauchen

deinen Atem zieh ich
mir über
wie einen Hut mit
breiter Krempe
zum Schutz
gegen das drängende
Flüstern der Nacht

deinen Atem leg ich
mir um
wie den wollenen Umhang
des Schäfers mit den goldnen Augen
in denen ich
versinke
ohne zu ertrinken

dein Atem
fächelt die Wellen meiner Träume
gestaltlos
ans Morgenland

gefährdet

ein Fahrrad
ein Schirm
eine Tasche
verlassen / nur ein Baum
als Stütze

den Mund voller Scherben
im Finstern
auf spiegelnder Straße
allein / nur ein Traum
als Stütze

du und ich
zusammen wir beide
locker verwoben
zu zweien / nur ein Kaum
als Stütze

aufräumen ausräumen austräumen

die guten ins kröpfchen
die schlechten ins töpfchen

das lachen aus der kehle
die tränen aus der seele

die suppe auf den teller
die kohlen in den keller

die lügen aus der tasche
den phönix aus der asche

und immer dran denken
auch andern was schenken

hörversion "aufräumen"

ich weiß nicht

ich weiß nicht was
soll es bedeuten dass ich
jetzt traurig bin /
du bist doch an meiner
Seite und fröhlich
war uns der Sinn

ich frag mich was
soll es bedeuten dass ich
so traurig bin /
ich laufe an deiner
Seite doch quält mich
die Frage wohin

wir gehen zusammen
die Straße und haben
kein richtiges Ziel /
du magst mich
ich mag dich das sollt uns
genügen das ist doch
schon viel

ich frag dich was
soll es bedeuten dass ich
so traurig bin /
du gehst einfach neben mir
weiter und gibst unsrem
Laufen den Sinn

(sehr frei nach Heinrich Heine)

herzbrücke

unter der herzbrücke
tuscheln die wellen. drüben
katzengesang

katzengesang

optimist

 
ohne zweifel

unser wir
wird
wachsen


wie ein vogel

oben schaukeln
allen ein zwitschern
zuwerfen
den liebsten immer in rufnähe
wissen dass antwort kommt
jederzeit
dem alten bussard zulächeln
ohne die deckung
aufzugeben
am abend den kopf
einfach
unter die flügel


„Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer aber von euch kann durch sein Sorgen zu seiner Lebenslänge eine einzige Elle hinzusetzen?“
(Matthäus 6, 26-27)

liebesgedicht

du
perlend / leichter regen
stetig im leisen licht / feiner noch
film auf meiner haut / glatter noch
feder im gleitflug / flieg mich
doch frei

du
streifend / flüchtiger atem
stetig im leisen licht / kühler noch
hauch auf meiner stirn / weh noch
wind aus wüstenland / treib mich
nicht fort

du
berührend / tastende lippen
stetig im leisen licht / zarter noch
hand auf meinem haar / leichter noch
liebesgedicht / halt mich
an dir

ohne Titel

ein Morgen
wie jeder andere
aufwachen schon vor
dem Klingeln des Weckers
auf die Routine des Morgens
wie immer ohne nachzudenken
aufspringen die Rädchen
zum Schnurren bringen wie eine
Katze die Morgenmilch
aus der immer gleichen
Schale schlürfen abends schon
bereit gestellt dein Leben morgens
in die immer gleiche Tasche
packen darin ein Zettel
unbekannt darauf drei Worte
finden entziffern
und alles auf ein Mal

ganz anders

vom Leben

I

Es gibt keinen Grund
das Leben zu beschneiden
Die buntesten Blüten
blühen im Urwald

Es gibt keinen Grund
das Leben zu begradigen
An ungezähmten Ufern liebt
es sich am schönsten

Es gibt keinen Grund
das Leben zu bändigen
Nur in Freiheit schenkt es dir
deinen wildesten Schrei


II

Hab keine Angst
mein Kind
Nichts bleibt bestehn
Hab keine Angst
Der Wind
jagt vorbei
Der Regen
wäscht neu
Die Sonne
baut weiter
bunte Himmelsbögen