Schlaflos - Text im Wandel

SCHLAFEN  kann man das nicht nennen.
Ich bin Sisyphos' Schwester und wälze
eine steinerne Last über zerknitterte Laken.

Ich bitte die Größen aus Politik und Wirtschaft um Hilfe.
Verlegen hüstelnd nesteln sie an ihren Krawatten.
Sie waschen ihre Hände in Unschuld
und möchten sauber bleiben. 

Die VIPs aus dem Kulturbereich verdrehen
ratlos die Augen, als ich mich an sie wende.
Sie klappern ohrenbetäubend mit ihren hölzernen Ratschen
und leiern Ungereimtes.

Der Vertreter der Kirche, den ich um Beistand anrufe,
erhebt die Augen zum sternenklaren Himmel.
Dort oben sitzt der, der immer alles weiß. Nur heute nicht.
Es ist die Nacht der Nächte. ER hat frei. 

Mein Ruf verhallt.
Ich wälze mich ein letztes Mal  und
öffne die verklebten Lider.
                    

So sah der Text ursprünglich aus. 
Das ist daraus geworden:
                    

Es war die Nacht der Nächte
ER hatte frei
Mein Nachtgebet verlief im Sand

ER hatte frei
Bis dann am Morgen mein Gebet
Vor Kälte zitternd vor ihm stand
                    

Ich bin gespannt auf Reaktionen.
Mein besonderer Dank geht an den Emil verdichten

9 Kommentare:

Blumenfreund hat gesagt…

...Deine Zeilen sind richtig. Nur mit einem hast Du nicht recht. Er da oben ist immer da, auch wenn wir zweifeln und manchmal denken ihn nicht zu finden. Er war, ist und wird immer sein. Daran darfst Du nie zweifeln.

Gruß
Christine

Anonym hat gesagt…

... ich mag beide Versionen, vor allem die klaren Ansagen im Ursprungstext.

Und die stark gekürzte Variante, sie lebt von der Offenheit, da bleibt mir als Leser mehr, was ich zwischen die Zeilen schieben kann ...

Beide sind gut!

Ein schönes Wochenende,
Ramona

walter hat gesagt…

...auf deinen allerletzten satz, zu reaktionen:

so einträge in einem blog, sind wie der lichtstrahl einer kleinen taschenlampe. du erkennst einen kleinen, schmalen bereich - über die landschaft in der du dich befindest kannst du nichts sagen - die bleibt verborgen.

ein ganz lieber grüß
walter
:-)

herbst.zeitlosen hat gesagt…

@ Christine: ich zweifle leider immer wieder und komme doch immer wieder zurück in den Stille-Raum der Stiftskirche hier.

@ Ramona: Danke für deine Rückmeldung. Ähnlich sehe ich es selbst auch.

@ Walter: der Vergleich mit dem Lichtstrahl der Taschenlampe gefällt mir sehr gut. Trotzdem - besser eine kleine "Erkenntnis" als gar keine.

Euch allen ein schönes Wochenende

Michael P. hat gesagt…

Gott verlässt dich nicht.
Gott lässt dich...

Herzlich
M.

Der Emil hat gesagt…

Weil mein Kommentar zu groß wurde, während ich die "Endfassung" hin- und herwälzte, habe ich einen ganzen Blogpost "Verdichten" verfaßt ...

Schönen Sonntag wünsch ich.
Der Emil

Bernd Balder hat gesagt…

Interessant, diese beiden Texte nebeneinander lesen zu können. Der ursprüngliche Text ist recht klar. Die Verzweiflung hat hier Hand und Fuß. Er gefällt mir.
Die zweite, sehr komprimierte Version geht in meinen Augen schnell in eine ganz andere Richtung. Ich empfinde beide Texte völlig unabhängig voneinander, und sie berühren sich für mich eigentlich gar nicht wirklich. Ich habe Spaß beim Lesen beider Texte, getrennt voneinander.

LG
Bernd

herbst.zeitlosen hat gesagt…

@ Bernd und Emil: dass sich die beiden Texte am Ende fast nicht mehr berühren, liegt wohl daran, dass ich manchmal - wenn ich das Gefühl habe, ich habe zu viele Worte in einen Text gepackt - den Text (=zip) entpacke und das für mich zu diesem Zeitpunkt Wichtigste herauspicke und daraus etwas Kurzes, Offenes mache. Das kann dann wirklich eine andere Richtung nehmen. Für mich hängt es dennoch mit dem ursprünglichen Text zusammmen, für den Leser ist der Zusammenhang eher schwer nachzuvollziehen.

Elsa Rieger hat gesagt…

Ich empfinde auch 2 verschiedene Texte, wobei ich den längeren bevorzuge, ich mag einfach Erzähllyrik sehr sehr!

Liebe Grüße
ELsa