Poesie am Rand


















am Rand
gedeihen sie am besten
die kleinen Wilden
die in den zarten Farben
die unscheinbaren Mauerblümchen
die verblassen

wenn Rosen und Lilien
stolz erhobenen Hauptes
langbeinig hüftschwenkend
den Catwalk im Vorgarten
entlang stöckeln
angefeuert vom Dauerlächeln
der Zwerge

sie wispern
mit den Zaunkönigen
heimlich
tanzen
mit verwunschenen Prinzen
bis zum Morgen

das lächeln

das lächeln blieb
ich hätt' es gern
verschenkt
an dich

an irgendwen
es blieb mir
angeheftet

wie eine klette
am revers
fast lästig
blieb es

mir ein schmuck
ich danke dir
dafür

freitags

ausgelaugt
wie früher am Waschtag
die Hemden meiner Mutter
ausgewrungen
bis auf den letzten Tropfen
dieser 1:99 verdünnt und
potenziert zu LM

ich bin
die Quintessenz meiner Existenz
hochwirksam
selbstheilend

Similia similibus curantur (Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt)
Ich danke - mit einem Augenzwinkern - Samuel Hahnemann und seiner Homöopathie.

der Speicher

steig unters Dach hinauf
wie ein Kokon umhüllt dich dort
der Duft von morschem, trockenem Holz
dich kitzeln Sonnenstäubchen
sei wieder Kind und niese alles fort
auch die vertrauten Schatten
die stets um dich sind

wenn's regnet, dreh mit beiden Händen
den großen schwarzen Schlüssel
öffne die Tür nach draußen
[sie klemmt wie früher] lausche
dem Nieseln, Gluckern, Rauschen
sieh, wie die Pfützen tanzen
fühl deine Füße patschen

Schlaflos - Text im Wandel

SCHLAFEN  kann man das nicht nennen.
Ich bin Sisyphos' Schwester und wälze
eine steinerne Last über zerknitterte Laken.

Ich bitte die Größen aus Politik und Wirtschaft um Hilfe.
Verlegen hüstelnd nesteln sie an ihren Krawatten.
Sie waschen ihre Hände in Unschuld
und möchten sauber bleiben. 

Die VIPs aus dem Kulturbereich verdrehen
ratlos die Augen, als ich mich an sie wende.
Sie klappern ohrenbetäubend mit ihren hölzernen Ratschen
und leiern Ungereimtes.

Der Vertreter der Kirche, den ich um Beistand anrufe,
erhebt die Augen zum sternenklaren Himmel.
Dort oben sitzt der, der immer alles weiß. Nur heute nicht.
Es ist die Nacht der Nächte. ER hat frei. 

Mein Ruf verhallt.
Ich wälze mich ein letztes Mal  und
öffne die verklebten Lider.
                    

So sah der Text ursprünglich aus. 
Das ist daraus geworden:
                    

Es war die Nacht der Nächte
ER hatte frei
Mein Nachtgebet verlief im Sand

ER hatte frei
Bis dann am Morgen mein Gebet
Vor Kälte zitternd vor ihm stand
                    

Ich bin gespannt auf Reaktionen.
Mein besonderer Dank geht an den Emil verdichten

Sakura

(S-Bahn zum Flughafen, 13. März 2011)

eine schwermütige Melodie
besingt die Pracht japanischer Kirschblüten
Töne von durchsichtiger Klarheit
umranken unsichtbare Schallmauern
unverzagt
pinseln ein filigranes Lächeln 
in mich und zaubern fifty Cent
in den verlebten Pappbecher
der jungen Sängerin

wir sind

.
Herren der Welt
statt
Mütter der Erde
.

zeitgleich (im Café)

durch Wörter gebanntes Unheil
krümmelt achtlos zu Boden
klirrend rücken Tassen zusammen
Prosecco perlt sich
murmelnd
ins Aus

verstörende Bilder
verharren tonlos

die Welle rollt
anderswo

Meer


mein meer
rollt träge wellen
an den strand verspielt im sand
leck ich am land und nehm ein korn
mit fort an einen andern ort geh dort
an land und schenke diesem fremden ort
ein korn von einem andern strand
ein korn von andersfarbenem
sand

mein meer - audio

Foto: (c) Katrin Schäflein www.picturepilot.de

loslassen

wir packen ein

Kindheitsgeschichte in Kartons
verblasste Erinnerungen
deine anders als meine
und doch ähnlich
so wie wir
Gefühlshumus der Frühlingsspitzen treibt
Sandkörner die aus Schuhen fielen
endlos durchwachte Nächte
dein Wachsen
in mir

wir packen ein
und retten was zu retten ist
aus einem alten Leben
in ein neues

für Marie - ganz spontan und ziemlich sentimental

Freinacht


















Es war die Nacht der Nächte
ER hatte frei
Mein Nachtgebet verlief im Sand

ER hatte frei
Bis dann am Morgen mein Gebet
Vor Kälte zitternd vor ihm stand

Foto: (c) e. h.